Sonntag, 26.November 2017- 18:30h

"Der unfähige Mann?"

 „Na gib her, so wird das nichts.“ Energisch reißt Erna ihrem Mann die Windel aus der Hand. Auch mit dem Kind alleine spazieren fahren darf er nicht. Georg achtet bestimmt nicht auf alle Gefahren. Einkaufen geht sie auch lieber selber. Am Ende vergisst er wahrscheinlich ohnehin die Hälfte. In der Therapie klagt Erna über ihren Ehemann. Er sei so lasch, das Liebesleben wäre mittlerweile auch eine Katastrophe. Aber er sei ein liebender Vater. Das wäre viel Wert. Aus diesem Grunde habe sie sich schlussendlich für ihn entschieden.  Sie wolle auf keinen Fall so enden wie ihre Mutter- geschieden von einem Idioten, der nichts auf die Reihe bekam.

Viele Frauen werden jetzt beipflichtend nicken. Ja- lieber ein treuer, langweiliger Ehemann, als der heißblütige Lover, auf den sowieso kein Verlass ist. Den gibt’s halt nur mehr in der Phantasie. Seufz.

Auf die Frage, wie denn Georg am Anfang war, weiß Erna schnell eine Antwort: „Ohhh ganz anders. Er war lustig und locker, nicht so verklemmt wie jetzt. Der Sex war auch richtig gut“.  

Was ist passiert? Erna hat Georg "kastriert".  Nicht bewusst natürlich, sondern unbewusst. Nicht Georg hat sich verändert, sondern Ernas Einstellung zu Georg.  Wenn Erna Georg wieder als potenten Mann erleben kann, der nicht unbewusst zu ihr in Konkurrenz steht, wird sie ihn auch wieder begehrenswert finden. Denn  obwohl  sie nicht das Schicksal ihrer Mutter haben möchte, steuert sie unbewusst genau auf dessen Wiederholung zu. Freilich, diese Erkenntnis und vor allem die Veränderung erfordern einen therapeutischen Prozess. Einer, der sich lohnt.  Ehemann, Lover und Superpapa- das alles steckt nämlich durchaus in ein und demselben Mann.

 

Montag, 13. November 2017, 10:00

"Mach das, tu das, mach das nicht! - Wie Helikopter-Eltern ihren Kindern das Fliegen verlernen"

„Dreh sofort den Fernseher ab!“,  brüllte Jasmin ihren Mann an. „Bist du völlig krank? Jakob kann doch nicht diese Bilder sehen!“ Im Fernsehen lief eine Rosamunde Pilcher Romanze.  Jakob hat halt in das TV Gerät gestarrt, um im nächsten Moment seinen Fokus auf Mamas Handtasche zu richten. Er zieht einen Kamm heraus. „Nein Jakob!“, mahnt Jasmin, „Damit wirst du dich verletzen“.

Im Kindergarten ist Jasmin bereits gefürchtet. Den Pädagoginnen hat sie penibel erklärt, wie sie Jakob betreuen müssten. Am Spielplatz sollte er nicht klettern, schaukeln nur ganz sanft, damit er nicht rausfällt. Essen bitte auch nicht unbeaufsichtigt und schon gar kein hartes Brot oder Nüsse. Verschluckungsgefahr.

Na, denken Sie sich auch schon, Jasmin übertreibt es aber? Richtig,  Jasmin ist eine sogenannte Helikopter-Mum. Eine Mutter, die stets um ihren Nachwuchs kreist, ihn offiziell beschützt und ihn inoffiziell zu Unselbständigkeit erzieht. Klar, unseren Kindern sollen schmerzliche Erfahrungen erspart bleiben und keine Steine in den Weg gelegt werden. In der Volksschule wird Jasmin ihrem Sohn die ersten Freunde aussuchen, im Gymnasium jeden Lehrer, der ihn schief ansieht am Elternsprechtag niederbrüllen.  Autonomie darf Jakob nicht erfahren, schon gar nicht leben. Zu gefährlich ist die Welt. Kinder beginnen schon sehr früh  mit den ersten Ablösungsbestrebungen- werden diese gestört, entstehen innerpsychische Konflikte.Auf der einen Seite will es seine eigenen Grenzen austesten, auf der anderen Seite muss oder soll es abhängig bleiben von Mama und Papa.

Wir dürfen uns sollen unsere Kinder jedoch nicht vor der Welt bewahren, sonst wird sich die Welt als überwältigend herausstellen. Wir dürfen sie nicht durch den eigenen Narzissmus an uns binden- Helikoptereltern machen ihre Kinder nicht flugtauglich, sondern absturzgefährdet.

 

Dienstag, 24.Oktober 2017- 17:50

"Sauberkeitserziehung- Manchmal geht’s in die Hose!"

 „Mein Kind ist jetzt drei und immer noch nicht sauber!“ schrieb eine Leserin. Eine andere fragte „wie sie den am effektivsten trainieren könne“ und ein besorgter Papa wollte Sohnemann gar untersuchen lassen, weil er„doch schon zwei Wochen sauber war und jetzt wieder ins Bett gemacht hat“. Nicht normal?

Zuerst einmal die gute Nachricht: jeder von uns hat gelernt, nicht mehr in die Hose zu machen, die Blase und den Schließmuskel zu kontrollieren. Die schlechte Nachricht: man kann als Elternteil nicht viel dazu beitragen außer: Geduld, Geduld, Geduld. Alles andere ist kontraproduktiv. Etwa um das zweite Lebensjahr herum kommen Kinder von der oralen Phase in die anale Phase. Die Lustempfindung verschiebt sich vom Mund zur Analregion- die Erfahrung die Ausscheidungsorgane kontrollieren zu können ist neu und schafft Selbstvertrauen. Jetzt gibt es nichts Schöneres als den eigenen Willen durchzusetzen. In dieser sogenannten Trotzphase wollen die Kleinen ihre Autonomie auskosten- manchmal zum Leidwesen der Eltern. Umso wichtiger ist es, hier nicht zu einschränkend zu sein oder unnötige Strenge walten zu lassen. Auf psychischer Ebene kämpft ihr Kind ohnehin schon mit dem Konflikt „ frei“ sein und gleichzeitig nicht die Geborgenheit der Eltern verlieren zu wollen. Was also tun, damit es nicht mehr in die Hose geht? Ich kann mich nur wiederholen: Geduld haben. Ihr Kind muss erst lernen wie sich zB. eine volle Blase anfüllt. Es also immer aufs Klo zu setzen, bloß damit nichts daneben geht, wird sinngemäß nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Bis zum 5. Lebensjahr dauert es, bis alle „Vorgänge“ halbwegs reibungslos ablaufen. Alle Mamis und Papis, die also behaupten ihr Nachwuchs wäre schon mit einem Jahr  sauber gewesen, die haben wohl viele, viele volle Windeln verdrängt...

 

 

Freitag 23. September - 15:21

"Österreich im Wahlkampf- Was Politik mit unserer Psyche macht"

Die heiße Phase des Wahlkampfes ist da. Die Spitzenkandidaten haben sich in Stellung gebracht, ganz Österreich mit Plakaten zubetoniert. Kein Abend ohne TV-Diskussion, Konfrontation, Duell oder Gegenüberstellung. Die große Frage lautet dieses Mal: Wollen wir etwas Neues? Oder lieber beim Alten bleiben? Aus der Sicht der Psychoanalyse neigen wir alle zeitweilig zur Regression, das bedeutet, wir rutschen auf eine kindliche Entwicklungsstufe zurück. Wir werden zum Beispiel trotzig, weinerlich oder besonders bedürftig. Dieser unbewusste psychische Mechanismus dient im Wesentlichen der Abwehr von Angst. Der berühmte Analytiker Tillmann Moser führte in diesem Zusammenhang an, dass es sich bei der Tatsache, dass Deutschland seit Jahren von einer Frau regiert wird, vielleicht auch um eine kindliche Sehnsucht nach Mamas Rockzipfel handelt. Ja, der Mensch vertraut auf Gewohntes und begegnet Veränderung mit größtmöglichem Widerstand. Das macht auch in der Therapie Probleme. Veränderung bedeutet wiederum, dass (zumeist unbewusste) Ängste auftauchen. Angst vor der Ablehnung, Angst vor dem Verlust. Angst aktiviert auch andere psychische Abwehrmechanismen wie die Spaltung. Wir sehen nur noch Schwarz oder Weiß. Die Grautöne werden nicht wahrgenommen. Wir erinnern uns an die österreichische Wahl zum Bundespräsidenten? Selten war dieses Land so emotional. Aggressionen wurden frei - Hass bis hin zu Morddrohungen öffentlich kundgetan. Ja, Ängste zu stimulieren, ist ein probates Mittel in der Politik, denn diese mobilisieren - wie zuvor erläutert - die psychische Abwehr der Wähler und fördern die Regression. Dann suchen wir einen Beschützer, einen, der uns retten kann. Oder zumindest vorgibt, dass er es könnte. Diesem Irrtum ist wohl auch Amerika aufgesessen. 

 

Freitag, 1.September - 09:45

"Wenn die Schule stresst!"

Die Schule beginnt und damit auch der Schulstress! Anbei ein Interview mit mir aus dem Magazin "Gesund& Fit", welches dazu die häufigsten Fragen beantwortet!

 

Was tun wenn mein Kind nicht zur Schule will?

Wenn Kinder die Schule verweigern gibt es immer einen Grund, den die Eltern ernst nehmen sollten. Die Ursachen sind vielfältig - handelt es sich um die allerersten Schultage sind meist Trennungsängste  im Spiel, wehren sich die Kinder plötzlich, obwohl die Schule bislang problemlos geklappt hat, lag es womöglich an einem belastenden Vorfall. In jedem Fall kann man sagen: es ist nie der Faulheit oder der  „bösen Absicht“ eines Kindes zuzuschreiben, wenn es sich gegen den Schulbesuch sträubt, sondern immer die Konsequenz einer psychisch belastenden Situation.

 

Wie viel Zeit dürfen Kinder im Volksschulalter vor dem PC/ TV verbringen? Oder besser ganz verbieten?

Das Thema Computer, Laptop oder Smartphone ganz auszusparen, halte ich auch bei Volksschulkindern für wenig zeitgemäß. Am einfachsten ist es, sich das „Wie“, „Wann“ und „Wie viel“ auszuhandeln, z.B. tagsüber einen bestimmten Zeitraum zu vereinbaren, in dem Computerspiele gespielt oder Serien angesehen werden dürfen. Ohnehin kommt es viel mehr auf die Gesamtbetrachtung an: weiß sich ein Kind auch anders sinnvoll zu beschäftigen, hat es einen intakten Freundeskreis und gibt es genug Aktivitäten außerhalb des Hauses und sind die Interessen vielfältig, besteht keine Veranlassung, den PC oder das TV Gerät gänzlich zu verbieten.

 

Noten Ja oder Nein?

Ich denke es geht nicht darum, das  Notensystem zu hinterfragen, sondern dort anzusetzen, wie die Benotung zustande kommt. Die Lernatmosphäre ist das ausschlaggebende Kriterium. Entsteht Leistungsdruck? Gibt es Bestrafung, wenn etwas nicht verstanden wird oder fördert der Unterricht die Selbständigkeit sich Wissen zu erarbeiten. In Finnland gibt es zum Beispiel sogar gratis Nachhilfeunterricht innerhalb der Schule. Laut Pisa Studie liegen die Finnen auf den vordersten Plätzen.

 

Herbstkinder? Noch ein Jahr warten oder gleich einschulen?

Das hängt von der persönlichen Reife eines Kindes ab. Hier ist die „unehrgeizige“ Einschätzung der Eltern gefragt, oder die  eines Kinderpsychologen. Zu frühes Einschulen kann eine Überforderung zur Folge haben.

 

Mobbing – was kann ich tun?

Erste Anzeichen können psychosomatischer Natur sein: Bauchschmerzen, Fieber, Appetitlosigkeit. Meist isolieren sich die Kinder von ihrem schulischen Umfeld, verbringen die Nachmittage in ihre Zimmer statt mit Schulfreunden. Suchen sie unbedingt das Gespräch mit ihrem Kind. Wichtig ist ihm klar zu machen, dass es keine Schuld daran hat - Kinder machen sich oft selbst verantwortlich und suchen die Mängel an sich. Sprechen sie auch mit dem Lehrkörper. Im unlösbaren Fall ist ein Schulwechsel angesagt.

 

Mein Kind will keine Hausaufgaben machen- was kann ich tun?

Oft steckt dahinter, dass sich das Kind nicht auskennt, vielleicht auch aufgrund einer Lese- und/oder Rechtschreibschwäche Probleme hat.  Versuchen Sie die Hausaufgaben gemeinsam zu erledigen, so erkennen Sie schnell woran es liegt- Hausaufgaben können nämlich auch Spaß machen, vor allem wenn es leicht von der Hand geht!

 

Social Media und eigenes Handy – ab wann und überhaupt erlaubt?

Das ist nicht zwingend eine Frage des Alters. Den sinnvollen  und verantwortungsbewussten Umgang mit den Social Media und einem eigenem Handy beizubringen ist die Aufgabe der Eltern, nicht das Verbieten. Das bedeutet natürlich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kind auf Augenhöhe, keine Machtdemonstration aus den elterlichen Befindlichkeiten und Prinzipien heraus.

 

Mein Kind hat Probleme mit der Lehrerin, verschließt sich uns aber zu Hause. Wie kann ich es dazu bringen, sich uns zu öffnen?

Versuchen sie ihrem Kind näherzubringen, dass es nichts gibt, wofür es sich vor den Eltern schämen müsste oder Gefahr läuft be- oder verurteilt zu werden. Das ist ohnehin eine Grundprämisse im Umgang mit dem Nachwuchs- so kommt es erst gar nicht dazu, dass Kinder sich komplett abschotten.

 

 

 

Dienstag, 29. August- 6:42 Uhr

Achtung Liebe!
Die kleinen Liebesfallen unserer Psyche

Waren Sie schon auf Urlaub? Und haben Sie sich vielleicht sogar verliebt? Gratuliere! Dieses Gefühl ist unbezahlbar! Zu Recht spricht man auch vom Liebeswahn- denn mit „Wahn“ hat die erste Verliebtheit so einiges gemeinsam.  So ist der Wahnhafte fest davon überzeugt, dass seine Wahrnehmung der Realität stimmt- auch wenn aus objektiver Sicht die Fakten dagegen sprechen. Die Folge ist eine Störung der Urteilsfähigkeit.

Dem Verliebten ergeht es ebenso- negative Eigenschaften  des Gegenübers werden gerade noch irgendwie wahrgenommen, aber gleich danach ausgeblendet oder gar verleugnet. Der Andere wird schöner, intelligenter und liebevoller erlebt, als er tatsächlich ist. Zusätzlich zum Wahn kommt auch noch die sogenannte „Übertragung“. Als Übertragung bezeichnet man einen psychischen Mechanismus. Hierbei werden alte, kindliche und oft verdrängte Gefühle und Wünsche, aber auch Ängste, die wir unseren Eltern entgegen gebracht haben, auf andere Beziehungskonstellationen „übertragen“ und dort erneut erlebt. Dies geschieht unbewusst und führt nicht selten zu Konflikten oder Spannungen. So kommt es schon mal vor, dass wir nach dem anfänglichen Liebesrausch uns vom Partner viel zu wenig bewundert fühlen oder sogar mit ihm in Konkurrenz treten. All das sind Relikte unserer ersten Beziehungserfahrungen- und da schleicht sich auch schon die dritte „Liebesfalle“ ein: der Wiederholungszwang. So neigt jeder von uns dazu unangenehme oder frustrierende Erfahrungen der Kindheit in einer neuen Beziehung zu wiederholen. Hatten wir z.B. eine tadelnde Mutter, haben wir womöglich auch eine ähnlich strenge Freundin.

Trotzdem: Liebe lohnt sich immer- ohne geht’s ja auch nicht!

 

 

Dienstag, 1. August - 11:53 Uhr

"Grün vor Neid"
Die Rolle des Neides als Antrieb oder Zerstörer

Vor kurzem führte ich ein Interview mit Reinhard Haller, einem der bekanntesten österreichischen Psychiater und Gerichtsgutachter - er schrieb die Gutachten von Franz Fuchs und Jack Unterweger. Immer wieder ist es die große narzisstische Kränkung, die schlussendlich zu derartigen Verbrechen führt, immer wieder der unbändige Hass, von allen missverstanden zu werden, immer wieder das quälende Gefühl, die anderen könnten etwas haben, was man selbst nicht hat. Ja, auch die Rolle des Neides darf nicht außer Acht gelassen werden, vor allem dann nicht, wenn daraus feindselige Gefühle resultieren. Psychoanalytikerin Melanie Klein, eine der Pionierinnen der Kinderpsychoanalyse, beschrieb Neid als ein ärgerliches Gefühl, wenn der andere etwas Wünschenswertes besitzt oder genießt, das man gerne für sich selbst hätte. Neid kann also die Antriebsfeder für ein zu erreichendes Ziel darstellen oder große und nagende Gefühle der Minderwertigkeit auslösen. Dementsprechend wohler fühlt man sich dann, wenn es dem anderen auch schlechter geht. Doch wie entsteht solch bösartiger Neid? Forscher fanden heraus, dass frühe Beziehungserfahrungen und Neid in engem Zusammenhang stehen. Hat ein Mensch gelernt, sich in Beziehungen ängstlich verhalten zu müssen, wird er Neid und andere Gefühle eher weg halten und sich selbst als „schwächer“ oder „schlechter“ als den Beneideten erleben. Jene, die durch ihre frühen, negativen Erfahrungen Beziehungen meiden und ihnen misstrauisch begegnen, entwickeln vielmehr ein Bedürfnis, den, der es in ihren Augen „Besser“ hat, zu „stürzen“. Auch die Ähnlichkeit des Neiders zu jener Person, die er beneidet, ist ein Kriterium: Je ähnlicher sich beide sind, desto grösser der Neid.

 

Dienstag, 18. Juli 2017 - 12:40 Uhr

"Nur Gequatsche!"
Wie Psychotherapie hilft - die Wirkfaktoren

Millionen Menschen weltweit leiden an psychischen Problemen. Psychotherapie soll helfen. Doch wie? Nur durch Reden? Im weitesten Sinne ja, ganz so einfach ist es dann aber doch nicht.

Fest steht, dass Psychotherapie wirkt - laut vieler Forschungsergebnisse ist sie einer medikamentösen Therapie sogar überlegen, vor allem langfristig. Einer der wesentlichsten Faktoren ist die sogenannte „Therapeutische  Allianz“. Therapeut und Patient sind sich einig, dass sie zusammenarbeiten und ein gemeinsames therapeutisches Ziel verfolgen wollen. Dazu gehört natürlich, dass sich der Patient bei seinem Therapeuten wohlfühlt. Die emotionale Ebene ist auch jene, an der die Therapie ansetzt - selbst Sigmund Freud musste feststellen, dass die bloße Erkenntnis der Ursache eines Problems nicht nachhaltig wirkte - es ist das erneute emotionale Wieder- und Durchleben, das schlussendlich auch aus neurologischer Sicht Veränderungen herbeiführt. Auch die Frage, welche Methode wohl die beste sei, liefert aus heutiger Sicht für viele Therapeuten eine ernüchternde Antwort: alle wirken gleich gut. Nicht die Technik zählt, sondern „allgemeine Wirkfaktoren“, wie zum Beispiel die Persönlichkeit des Therapeuten. Besonders die „Korrigierende emotionale Erfahrung“ sei hier hervorzuheben. So war es für Frau S. eine neue Erfahrung in der Therapie, nicht immer nur stark sein zu müssen, wie sie es von ihrem Vater kannte. Herr N. verstand, dass er sich nicht für alle aufzuopfern brauche, sondern auch seine Grenzen aufzeigen durfte, ohne dafür entwertet zu werden. Der Patient lernt schlussendlich, anders zu fühlen, zu denken und zu handeln - ein Prozess, der auch im Gehirn neue „Pfade“ ausbildet und somit nach und nach ein befreites Leben ermöglicht.

 

Dienstag, 11. Juli 2017 - 23:00 Uhr
Sei nicht so hysterisch!

Was ist Hysterie und warum sie nicht nur Frauen betrifft

 „Hysterische Kuh!“ oder „Die Frauen sind doch alle hysterisch“! Mal Hand aufs Herz, liebe männliche Leser. Wer von Ihnen hat sich das noch nie gedacht? Oder liebe weibliche Leserinnen: Wer hat das noch nie gehört? Hysterie hat längst den Einzug in unseren Schimpfwortfundus gefunden - doch was ist Hysterie genau? Noch in der Antike war man der Überzeugung, dass die Ursache dieser „frauenspezifischen“ Krankheit in der im Körper umherwandernden Gebärmutter zu finden sei. Gut, davon ist man glücklicherweise abgekommen. Sigmund Freud war es schlussendlich, der den Hysterikerinnen zum Durchbruch verhalf. Er war begeistert von den Demonstrationen des berühmten Arztes Charcot in Paris, der seinem staunenden Publikum demonstrierte, wie Patientinnen unter Hypnose ihre gelähmten Körperregionen wieder bewegen konnten. Wie konnte das sein? Freud widmete sich intensiv den „Studien über die Hysterie“ - den sogenannten Konversionsneurosen. Konversion bedeutet, dass ein seelischer Inhalt, der verdrängt werden muss, im Körper symbolhaft seinen Ausdruck findet. Mittlerweile ist die Hysterie längst aus dem psychiatrischen Wortschatz verschwunden. Die Symptome, die sich in übertriebener Emotionalität, Ich-Bezogenheit und dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zeigen, werden heutzutage den histrionischen Störungen zugeschrieben. Auch der dissoziativen Störung, deren Ursache zumeist in einem verdrängten Trauma liegt, ist die damalige Hysterie zuzuordnen. Die Dissoziation, also die Abspaltung des Traumes aus der bewussten Wahrnehmung hilft, das Leben weiterhin meistern zu können. Fest steht in jedem Falle, dass „Hysterie“ nicht alleine Frauensache ist - im Gegenteil. Auch Männer neigen zu hysterischem Verhalten - man denke nur an Molieres berühmte Komödie „Der eingebildete Kranke“...

 

Dienstag, 27. Juni 2017 - 23:24 Uhr
"Nicht normal!"
Was ist verrückt, was normal? Kriterien zu Beurteilung

„Der ist ja gestört!“, oder: "Die tickt ja nicht richtig!". Geflügelte Phrasen im Sprachgebrauch. Wahrscheinlich hat man bei dem ein oder anderen sogar recht. Doch was ist eigentlich "normal"?

Sigmund Freud traf eine Einteilung in neurotisch und psychotisch - der Unterschied ist mit einem Witz leicht erklärt: Der Neurotiker baut Luftschlösser, der Psychotiker zieht dort ein. Durch dieses Bild wird gleichzeitig ein wichtiges Kriterium einer guten psychischen Struktur klar - die Realitätsprüfung. Diese ist die Fähigkeit des Ichs, zu beurteilen, ob das, was wir wahrnehmen, tatsächlich der Realität entspricht. In einer Psychose versagt die Realitätsprüfung komplett - hier verlieren sich Körpergrenzen, Raumdimensionen und klare Gedankengänge. Neurose hingegen ist der Überbegriff für psychische Störungen, bei denen der Betroffene unter verschiedensten Symptomen wie z.B. Ängsten oder Zwängen leidet, den Bezug zur Realität aber nicht verliert. 

Otto Kernberg spricht von der Struktur der Psyche und einer Einteilung in neurotisch, Borderline- und psychotisch. Je schwächer die Struktur, desto schwerer die Störung. Auch hier wird unter anderem das Prinzip der Realitätsprüfung herangezogen. Die Borderline-Persönlichkeitsorganisation ist ein Grenzgang zwischen neurotisch und psychotisch. Hier funktioniert die Realitätsprüfung nur teilweise. Doch wie und wann entwickelt sich diese Struktur? Von Anbeginn.

Je früher in der Entwicklung etwas schief läuft, desto gravierender sind die Auswirkungen auf die Ausbildung der psychischen Funktionen. Sichere Bezugspersonen sind dabei wesentlich, denn ohne diese können wir kein gutes innerpsychisches Abbild von ihnen in uns schaffen - und das brauchen wir um gefestigt und "normal" durchs Leben zu gehen.

 

Montag, 19. Juni 2017 - 20:58 Uhr
"Psychopathen unter uns"
Wie wir sie erkennen

Psychopath - sofort lässt es einem den Schauer über den Rücken laufen - Faszination und Abscheu zugleich. Namen wie Jack Unterweger oder Anders Breivik tauchen auf - kaltblütige, seelenlose Menschen. Das personifizierte Böse. Und hier kommt die schlechte Nachricht: nur 50 Prozent davon werden durch Verbrechen auffällig. Die anderen 50 Prozent leben unter uns. Denn Psychopathen sind nicht immer so, wie man sie aus Kinofilmen und Zeitungsberichten kennt - im Gegenteil. Sie können sehr erfolgreich, charmant und verführerisch sein. Gebildet, eloquent und äußerst anziehend. Doch hinter der Fassade eines Psychopathen verbirgt sich Rücksichtlosigkeit, Größenwahn und vor allem eines: Kein Funken Empathie und Reuegefühl.

Psychopathie ist eine schwere Persönlichkeitsstörung. Abseits der oben genannten Eigenschaften verstehen es Psychopathen äußerst geschickt, zu manipulieren. Sie lügen pathologisch, zeigen durchaus emotionale Regungen, allerdings nur oberflächlich - tiefgehende Emotionen sind ihnen fremd. Die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, wird abgelehnt, die eigene Wahrheit zurecht gezimmert, das eigene Fehlverhalten immer den anderen in die Schuhe geschoben, um sie dafür zu entwerten. Robert D. Hare, der Begründer der Psychopathieforschung formulierte es so: „Sie rauben keine Bank aus, sie werden Bankvorstand“. Unter diesem Aspekt sind die großen Spekulanten unserer Zeit in einem anderen Licht zu betrachten.

Ja, ein normaler Mensch hätte Skrupel, Millionen zu versenken, der Psychopath geht nach Hause und vergisst die Sache. Und mit all diesen Attributen sollten wir vielleicht auch einen Blick nach Amerika werfen und die „alternative facts“ des amtierenden Präsidenten doch ein wenig genauer hinterfragen ...

 

Montag, 12. Juni 2017 - 21:48 Uhr
"Über das Träumen"
Wie man die nächtlichen Botschaften entschlüsselt

Träumen hat nichts mit einem hellsichtigen Blick in die Zukunft zu tun - im Gegenteil – vielmehr bieten uns die nächtlichen Geschichten im Kopf einen Blick auf die Ist –Situation. Inhalte, die im Traum auftauchen, sind Botschaften aus dem Unbewussten - Wünsche, Gedanken, Gefühle etc., die meist verdrängt oder abgewehrt werden. Wenn wir aufwachen, ist das, was wir von unserem Traum noch wissen jedoch durch eine Art psychische Zensur gegangen - was bleibt, ist der manifeste Trauminhalt. Für die Traumanalyse interessant ist allerdings nur der latente Trauminhalt. Frau K. berichtete in ihrer Therapie von einem Traum, in dem sie von einem Felsvorsprung in die Tiefe blickte und sich fragte, ob sie es wagen solle, hinabzuspringen - dem manifesten Trauminhalt.

Die Traumanalyse ergab, dass sie sich in Wahrheit vor der Therapie ängstigte und sich nicht sicher war, ob sie wirklich alles „da unten“ – also im Unbewussten - entdecken wolle, das sie jahrelang verdrängt hatte. Dies ist der latente Trauminhalt. Was hier so einfach erscheint, ist allerdings oft mühevollste Kleinarbeit, denn der Traum versteht es nur allzu gut, seine Botschaften zu maskieren. Seine Mechanismen heißen Verdichtung und Verschiebung. Verdichtung meint, dass Elemente des latenten Trauminhaltes „zusammengelegt“ werden. So träumt Herr L. von einem Mann, der aussieht wie sein Onkel, aber die Kleidung seines Bruders trägt.

Bei der „Verschiebung“, dem zweiten Mechanismus, träumt Frau K. von ihrem gefürchteten Chef als einem Hasen im Käfig - ihre Angst verschiebt sie also auf etwas, das den wenigsten Angst machen würde - einem eingesperrten Hasen. Somit wird jeder Traum auch zum Versuch einer Wunscherfüllung. Also dann - träumen sie was Schönes!

 

Sonntag, 4. Juni 2017 - 22:15 Uhr
"Hallo Ödipus!"
„Mamabub und Papamädchen“  und was uns sonst noch davon blieb...

Irgendwo haben wir das Wort alle schon mal gehört: Ödipuskomplex. Ödipus, der Typ, der seinen Vater ermordete und seine Mutter ehelichte. Theoretische Grundlage für eines der bedeutsamsten Konzepte der Psychoanalyse. "Mein kleiner Sohn lehnt mich plötzlich ab", klagte ein Vater in der Therapie und fragte, sich was er falsch gemacht hätte. Nichts. Denn dieses kindliche Verhalten ist in dessen psychosexueller Entwicklung richtig und wichtig. Ungefähr zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr treten Mädchen wie Jungen in die sogenannte ödipale Phase ein. Hier beginnt sich alles um das eigene Geschlecht und die damit verbundenen Geschlechterrollen zu drehen. Mädchen wollen den Vater für sich gewinnen („Ich heirate mal meinen Papa)“.

Die logische Konsequenz daraus ist die Rivalität mit der Mutter. Knaben hingegen rivalisieren mit dem Vater um die Gunst der Mutter ("Er ist so ein Mamabub geworden!"). Eine Phase, die von Eltern schnell als kränkend oder irritierend erlebt werden kann. Doch Kinder brauchen dieses Messen am gleichgeschlechtlichen Erwachsenen und sie sollten liebevoll daran scheitern. Mama und Papa sollten zeigen, dass sie eine Einheit bilden. Erst dann gelingt es, sich später einmal einem Liebespartner außerhalb der Familie zuzuwenden und ihm erotische Gefühle zuteil werden zu lassen.  

Was hier vielleicht seltsam klingt, ist im Alltag allgegenwärtig. Männer und Frauen, die in der ödipalen Phase "hängengeblieben" sind, werden weiterhin rivalisieren. So wollte Herr P. mit Vorliebe verheiratete Frauen erobern, Frau M. eiferte mit jeder weiblichen Person und Frau Z. wählte mit Vorliebe sogenannte „Sugardaddys" aus - eine Bezeichnung, die bereits verrät, wessen Liebe sie (unbewusst) tatsächlich sucht …

 

Montag, 29. Mai 2017 - 20:23 Uhr
"Eitle Liebe"
Wie und ob die Beziehung mit einem Narzissten klappt

Aufgrund vieler Leseranfragen, möchte ich mich nochmals dem Thema Narzissmus widmen. So schrieb eine Leserin: „Wie erkenne ich überhaupt, ob ich es mit einem Narzissten zu tun habe?“ Ja, sie sind charmant und charismatisch. Wenn sie um jemanden werben, ziehen sie alle Register. Das Gegenüber wird zur Idealvorstellung - doch nach jeder Idealisierung folgt unweigerlich die Entwertung. Der Narzisst erkennt alsbald, der Andere ist ein Mensch aus Fleisch und Blut und begeht vor allem einen Fehler: Ihn, den Narzissten, nicht für unfehlbar zu halten. "Ich habe nur gesagt, dass ihm das blaue Hemd nicht so gut steht und er hat darauf geantwortet: Sieh dich doch mal selbst an, du fettes Schwein!“ Ja, das aufgeblasene Größenselbst des Narzissten zu hinterfragen ist eine Todsünde, die mit Verachtung bestraft wird - denn unbewusst schlummert darunter die Minderwertigkeit.

Der Narzisst erkennt andere nicht als zu respektierende Mitmenschen an - er sieht sie viel eher als seinen "verlängerten Arm"- jeder um ihn herum hat eine Funktion, die auch dazu dient, seinen in Wahrheit brüchigen Selbstwert zu nähren. Sie gehen nur zu Top-Ärzten, sie haben oder hätten gerne Kontakt zu den Wichtigsten und sie haben - zumindest am Anfang - die beste aller Partnerinnen. Und die Schönste. Und die Intelligenteste. Und das macht es auch so schwer, sich zu lösen. Denn die Erinnerung an diese wunderbare Anfangszeit lässt viele daran festhalten. Können Beziehungen mit Narzissten funktionieren?

Ja, wenn Sie bereit sind, den Quell der Huldigungen nie versiegen zu lassen. Ändern können sie einen Narzissten als Partner nicht, zu früh sind die Traumatisierungen, die er in der Kindheit erleben musste. Also bleibt nur noch eines. Gar nicht erst anfangen.

 

Samstag, 20. Mai 2017 - 16:48 Uhr
"Das Unbewusste"

Sigmund Freuds „machtvolle“ Entdeckung

„Das hab ich verdrängt!“, ist eine geläufige Phrase in unserem Sprachgebrauch oder auch: „Unterbewusst hab ich das schon gespürt“. Worte, die Tradition haben - Wiener Tradition, denn sie stammen aus dem Theoriekonzepts Sigmund Freuds und der Psychoanalyse. Doch - was ist dieses Unterbewusstsein, das Freud das „Unbewusste“ nannte überhaupt?

Freud schuf ein Modell, wonach die Psyche sozusagen drei „Räume“ hat: Das Bewusste, das Vorbewusste und das Unbewusste. Am Beispiel des Autofahrens ist dies einfach erklärt: Wenn wir autofahren, nehmen wir bewusst eine rote Ampel wahr und bremsen. Das Vorbewusste ist alles, was momentan nicht direkt im Bewusstsein ist, aber prinzipiell dort abgerufen werden kann. Wenn wir beim Autofahren schalten, so geschieht das mehr oder weniger automatisch, wir müssen uns (hoffentlich) nicht jedes Mal bewusst abrufen, welchen Gang wir einlegen. Das Unbewusste ist da komplizierter, denn es lässt seine Inhalte nicht so einfach ins Bewusstsein vordringen und ist deshalb manchmal fatal, denn darin befinden sich verdrängte Wünsche, die unser Handeln beeinflussen. Wenn wir an der Kreuzung stehen und plötzlich den Idioten rechts von uns überholen wollen, so spricht das Unbewusste aus uns. Wir wollen schneller und besser als der andere Autofahrer sein! Der umgekehrte Weg ist die Verdrängung. Inhalte, die der Psyche unangenehm sind, peinlich oder verboten, werden schnell ins Unbewusste verschoben und festgehalten - doch sie sind nicht verschwunden und können Probleme in Form von Symptomen machen.

„Wo ein Wille, da ein Weg“ ist also leider ein Irrglaube, denn wie schon C.G. Jung sagte, „ ist der Mensch „bei aller Vernünftigkeit und Tüchtigkeit von Mächten besessen, über die er keine Kontrolle hat“.

 

Montag, 15. Mai 2017 - 23:48 Uhr
"Die Psychosoziale Entwicklung ihres Babys"

Das erste Lebensjahr

Der Nachwuchs ist da – endlich! Doch damit leider auch die Ängste. „Ich hab das Gefühl, ich mache alles falsch, gebe ich meinem Baby was es wirklich braucht?“, meinte eine besorgte Mama unlängst.

Vorab einmal zur Beruhigung. Wir müssen als Mamas und Papas nicht perfekt sein. Donald Winnicott, ein englischer Kinderarzt und Psychoanalytiker, sprach von der „good enough mother“- also der ausreichend guten Mutter. Es geht also nicht darum, alles immer perfekt zu machen- für eine gesunde Entwicklung reicht es, die Bedürfnisse des Babys zum größten Teil zu befriedigen. Wie die Beziehungen des Säuglings allerdings zu seiner Umwelt sind, so ist auch seine psychische Entwicklung. Leider finden demnach viele psychische Störungen finden ihren Ursprung in diesen jungen Jahren.

Im 1.Lebenjahr ist das Baby mehr denn je auf seine Bezugsperson angewiesen. Gewährt ihm diese Nähe, Geborgenheit, Nahrung und Kontinuität, dann entwickelt es die Gewissheit, die Umwelt ist verlässlich- das sogenannte Urvertrauen stellt sich ein. Bekommt das Baby diese Bedürfnisse nicht erfüllt, verinnerlicht es das Gefühl, seiner Umwelt hilflos ausgeliefert zu sein- das Kleinkind fühlt Ängste des „Allein“- oder „Leer“- gelassen Seins. Die Balance schlägt in Misstrauen und Zurückgezogenheit um, Erfahrungen, die einen ein Leben lang begleiten werden. In der Therapie finden wir diese Gefühle z.B. bei depressiven Patienten wieder.

Wenn diese erste Entwicklungsstufe allerdings gut gemeistert ist, ist bereits der psychische Grundstein für den Optimismus gelegt - im späteren Leben ist das jene Fähigkeit, die über Enttäuschungen und „schwere“ Zeiten hinweg hilft, die einen durchhalten lässt, auch wenn mal nicht alles so rosig aussieht.

 

Montag, 1. Mai 2017 - 19:12 Uhr
"Gespaltener Geist"
Mythos Schizophrenie

Schizophrenie. Eine Krankheit, die in jedem ähnliche Bilder hervorruft - Bilder von geisteskranken Verbrechern, die verfolgen, jemandem auflauern, Gewalttaten begehen. Schizophrenie ist für viele der Inbegriff von Verrücktsein - von Menschen, die zwei Gesichter haben. Fällt die „Maske“, werden sie gemeingefährlich.

Diese Annahme ist allerdings schlichtweg falsch. Bei Schizophrenie handelt es sich nicht um „gespaltene Persönlichkeiten“. Diese Verwechslung entstand durch die irreführende Übersetzung des Begriffes aus dem Griechischen, die „gespaltener Geist“ bedeutet. Diese Spaltung, oder viel eher das „Zerbrechen“ bezieht sich auf den Zusammenbruch kognitiver und emotionaler Prozesse. Denken und Wahrnehmung sind schwer beeinträchtig, zeitweise können die Betroffenen die Realität nicht mehr von den eigenen Wahnvorstellungen unterschieden. An Schizophrenie erkrankte haben also nicht zwei verschiedene Persönlichkeiten wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde- hier würde man nämlich von der sogenannten Multiplen Persönlichkeitsstörung sprechen. Diese hartnäckig falsche Annahme bedingt zu Unrecht eine drastische Ausgrenzung der Erkrankten. Denn die vermeintliche erhöhte Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit gegenüber anderen Menschen ist schlichtweg ein Mythos. Gewaltimpulse richten sich nämlich in erster Linie gegen die eigene Person- so ist das Selbstmordrisiko bei Schizophrenie -Erkrankten drastisch erhöht.

Auch ist die Krankheit nicht unheilbar – eine regelmäßige Einnahme der Medikamente ist allerdings unabdingbar. Dann können Schizophrene sogar ein weitgehend „normales“ Leben führen- soweit es Ihnen die Gesellschaft zubilligt ...

 

Montag, 17. April 2017 - 15:01 Uhr
"Traumgeburt oder Trauma Geburt"
Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt?

Frau F überlegte, ihr Kind per Kaiserschnitt zu Welt zu bringen- sofort fragten kritische Stimmen: „Wozu denn das- ohne wirklichen Grund?“ „Dein Kind wird viel krankheitsanfälliger sein“, warnte eine Arbeitskollegin. „Das sind kleine Schwächlinge“, erklärte ihr Bruder. „Es gibt Studien, die ein erhöhtes Risiko für Allergien und Diabetes bei Kaiserschnittkindern voraussagen. Einer härteren Überprüfung hält dies wahrscheinlich so nicht stand“, so Gynäkologe Dr. Elmar Joura dazu. „Aber das Bonding wird darunter leiden“ meinte Frau F’s Hebamme. „Du wirst das Gefühl haben, man hat dir dein Kind einfach weggenommen“, orakelte eine Freundin. „Dein Kind wird nie lernen sich im Leben durchzusetzen“ prophezeite die Nachbarin. Frau F fühlte sich zunehmend schlechter, am Ende sogar als Versagerin. War sie die einzige, die Angst vor Komplikationen und stundenlangen Wehen hatte? Würde der Kaiserschnitt tatsächlich die Mutter-Kind Beziehung beeinträchtigen?

Sieben Jahre später. Sohn Sebastian ist ziemlich aufgeweckt, wissbegierig und aufgeschlossen. Frau F spricht heute noch vom schönsten Moment ihres Lebens, der Geburt per Kaiserschnitt. „Es ist vielmehr die bewusste und freiwillige Entscheidung für die eine oder andere Methode, die Mütter die Geburt ihres Kindes als positiv erleben lässt“ so Dr. Joura. Und es ist die Atmosphäre der Liebe, in der Sebastian aufwachsen darf, sein Urvertrauen in die Welt, das Frau F und ihr Mann seit dem ersten Atemzug stärken, seine ersten Autonomiebestrebungen, die nicht unterbunden, sondern gefördert und seine Bedürfnisse, die verstanden und respektiert werden. Und es war Sebastians Start ins Leben- für Frau F eine Traumgeburt anstatt das „Trauma Geburt“.

 

Montag, 10. April 2017 - 19:05 Uhr
"Ausgebrannt- Burnout Syndrom"

Wie sie die Anzeichen erkennen

Burnout. Frau M bekam 6 Wochen Bettruhe von ihrem Arzt verordnet. Die Kolleginnen im Büro waren sich anerkennend einig- Frau M hat einfach zu viel gearbeitet, sich für die Firma aufgeopfert.

Burnout Syndrom ist eine sozial akzeptable Diagnose: Hier sehen sie einen fleißigen, arbeitswilligen Menschen, der Alles für den Beruf und die Familie gibt. Der für seine Aufgaben lebt. Nicht wie Frau K., die wegen ihrer Depressionen zum Alkohol griff.

Das Burnout Syndrom spiegelt unsere Gesellschaft wider- wer leistet, wird akzeptiert. Doch wie erkenne ich, ob ich mich bereits mitten drin oder am Anfang eines Burnout Syndroms befinde? Der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger beschrieb ein 12-Phasen Modell- beginnend mit dem übermäßigen Wunschs sich zu behaupten und anderen etwas zu beweisen. In weiterer Folge werden die eigenen Bedürfnisse verleugnet, Prioritäten verändern sich.- die früheren Werte wie Hobbys und Freunde zählen nicht mehr. Das Verhalten der Betroffenen ändert sich, sie werden antriebs- und motivationslos. „Ich will nur noch funktionieren“- meinte unlängst ein Patient. Es folgt eine innere Leere, schließlich Hoffnungslosigkeit und Depression. Dann der Zusammenbruch. Burnout ist allerdings längst nicht nur auf den Arbeitsplatz bezogen, sondern auch auf innerfamiliäre Strukturen. Angehörige von Pflegefällen sind nur eines von unzähligen Beispielen.

Hinter all dem verbirgt sich allerdings immer die Frage: warum mute ich mir so viel zu- um gelobt, respektiert und gemocht zu werden? Wenn ja, dann wird es Zeit professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, damit Sie nicht der Risikogruppe einer Million Österreicher angehören. Burnout ist vielleicht sozial akzeptabel, doch krank ist man trotzdem.

 

Montag, 27. März 2017 - 22:56 Uhr
"Krankhafte Selbstliebe"
Wie Sie Narzissten entlarven

„Das ist doch ein verdammter Narzisst!“, hörte ich unlängst zwei echauffierte Angestellte über ihren Chef sagen. Narzissmus- ein Wort das Einzug in unseren Sprachschatz gehalten hat- früher beschimpfte man sich als „hysterisch“ (vor allem die Frauen), heute heißt es „Narzisstenschwein“. Unsere Gesellschaft ist narzisstischer geworden, ohne Frage. Gerichtspsychiater Reinhard Haller berichtete in einem Vortrag von einer Studie über die Werte der Jugend. Fand man früher Ideale wie Familie und Gesundheit an der Spitze, so ist es heute die „Selbstverwirklichung“. Narzisstische Verbrechen nehmen zu, man denke an große Korruptionsskandale oder auch die sich häufenden Familientragödie. Lange steckte der Vater zurück, ließ Kränkungen über sich ergehen und fasste innerlich den Vorsatz, eines Tages als Sieger dazustehen. Dann bringt er Frau und Kinder um.

Doch wie erkennt man Narzissten? Haller beschreibt in seinem Buch „Die Narzissmusfalle“ vier große „E“s: Egozentrizität, Empfindlichkeit, Empathiemangel und Entwertung. Das Weltbild des Narzissten dreht sich nur um ihn, gibt es einen Störfaktor, wie z.B. Kritik an seiner Person, so ist er gekränkt und nicht verbesserungswillig. Sich in die emotionale Situation des anderen einzufühlen ist ein Fremdwort für ihn, fühlt er sich angegriffen, ist seine Waffe die Entwertung des anderen. Vielleicht fällt es vielen jetzt wie Schuppen von den Augen, wenn sie an ihren Chef, Arbeitskollegen oder Partner denken. Wie geht man am besten mit einem Narzissten um? Zweifelsohne- sie haben eine bestimmte Aura der Grandiosität aus der es sich zu lösen gilt, doch der nachhaltigste Weg ist jener: Füße in die Hände nehmen und weglaufen, so weit es geht.

 

Montag, 20. März 2107 - 19:43 Uhr
"Wenn Emotionen außer Kontrolle geraten"

Diagnose Borderline

Maria K rastete völlig aus. Ihr Mann vergaß die Butter vom Supermarkt mitzunehmen. Martina B musste wieder einmal auf die Ambulanz. Die Schnitte am Unterarm hörten nicht auf zu bluten. Beide Frauen bekamen die Diagnose Borderline. Eine Diagnose, von der die meisten heutzutage schon gehört haben. Angehörige und Partnern fühlen sich oft hilflos ausgeliefert- wissen nicht mehr wie sie sich verhalten sollen. Gekennzeichnet ist dieses Störungsbild überwiegend von Angst vor dem Verlassen werden, Stimmungsschwankungen, instabilen Beziehungen, einer mangelnden Kontrolle von Wut, Impulsivität, einer unklaren eigenen Identität- der sogenannten Identitätsdiffusion-, einem chronischen Gefühl der Leere und selbstschädigendem Verhalten. Doch wie erkrankt man an einer Borderline- Persönlichkeitsstörung? Aus zahlreichen Untersuchungen wissen wir, dass die Betroffenen eine traumatische Kindheit hatten. Sie wurde verbal und emotional misshandelt, vernachlässigt und runtergemacht.

Fast 70 Prozent aller Patienten wurden sexuell missbraucht, bis zu 50 Prozent waren körperlicher Gewalt ausgesetzt- der Großteil geschah innerhalb der eigenen Familie. Wie zerstörend dies für die Seele sein kann, wenn die Quelle der Liebe gleichzeitig die der Bedrohung ist, muss nicht erklärt werden. Der überwiegende Anteil – also ca. 70 Prozent – aller Betroffenen sind übrigens Frauen. Dieser Prozentsatz entsteht vermutlich auch, weil Frauen Hilfe auf psychischer Ebene stärker annehmen. Männer findet man eher im forensischen Bereich wieder. Ein Leben mit Borderline?

Die Störung zu behandeln, erfordert gut geschulte Therapeuten- dann ist allerdings ein annähernd „normales“ Leben wieder möglich- für Patient, Partner und Freunde.

 

Sonntag, 12. März 2017 - 22:46 Uhr
"Shoppen, Sex und Sport"

Wenn Alltägliches zur Sucht wird

Vanessa kauft ständig Klamotten. Ihr Konto ist immer in den roten Zahlen, doch wenn sie nicht auf „Schnäppchenjagd“ geht, wird sie nervös. Rudolf spielt leidenschaftlich gerne Computerspiele - so, dass er mittlerweile teilweise nur 2 Stunden Schlaf bekommt. In der Arbeit ist er unkonzentriert, sein Chef droht mit Kündigung. Trotzdem - Nacht für Nacht hängt Rudolf vorm Bildschirm.

Sind Vanessa und Rudolf kauf-oder spielsüchtig? Ja, denn beide erfüllen die Kriterien einer Abhängigkeit: Bei beiden besteht ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, das „Suchtmittel“ zu konsumieren, ein körperliches Entzugssyndrom (beide sind irgendwie nervös) liegt ebenso vor. Wie sieht es aus mit der fortschreitenden Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Suchtmittels? Rudolf fällt es schwer, nebenher noch Bekannte zu treffen, seine Freundin hat ebenso Schluss gemacht. Vor die Alternative gestellt, was Rudolf denn wichtiger sei, konnte er keine Antwort geben. Und Vanessa? Von Freundinnen, die sie kritisieren, hat sie sich längst abgewandt. Ihr Exfreund war es ebenso leid, sein gesamtes Wochenende im Kaufhaus oder Onlineshop zu verbringen. Rudolf und Vanessa konsumieren also weiter, obwohl es für beide einen eindeutigen Nachweis schädlicher Folgen gibt - sei es sozialer oder finanzieller Art - ein weiteres Suchtkriterium. Genauso wie die verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums, sowie der Nachweis einer Toleranz: anfangs spielte Rudolf nur 3 bis 4 Stunden. Jetzt bis zu 10. Vanessa war früher nur ab und zu auf Beutezug, mittlerweile mehrmals wöchentlich, am besten täglich. Die Kauf- und Spielsucht sind als psychiatrische Diagnosen längst bekannt, doch geht es noch weit darüber hinaus, denn jedes Verhalten – ob Sex, Essen oder Sport - kann sich zur Sucht entwickeln.

 

Montag, 6. März 2017 - 23:05 Uhr
"Alptraum Zwangsstörung"

Wenn man muss, nicht will...

 

Herbert muss sich ständig die Hände waschen. Hannah kann ohne Zählen keine Treppe mehr steigen. Paul hat immer wieder die quälende Vorstellung, die Menschen in der U-Bahn könnten plötzlich tot umfallen.

Jeder kennt den Filmklassiker „Besser geht’s nicht“ mit Jack Nicholson, in dem er einen schrulligen Typen mimt, der nicht auf die Fugen der Gehwege treten kann.

Was im Film amüsant wirkt, ist im wahren Leben für Betroffene ein Alptraum: Zwangsstörungen. Zwangsgedanken, Impulse und Handlungen halten einen gefangen, immer und immer wieder muss man sie stereotyp ausführen.

Zwangsstörungen werden zu den neurotischen Störungen gezählt. Aus tiefenpsychologischer Sicht befindet sich der Betroffene in einem unbewussten Konflikt zwischen Gehorsam und Auflehnung. Meist findet man in der Biographie dieser Patienten Mütter, die erste Selbständigkeitsbestrebungen ihres Kindes mit unangemessener Strenge und Disziplin, oder auch Liebesentzug unterbinden wollten. Dagegen hat man sich als Kind natürlich aufgelehnt, gleichzeitig dafür Schuldgefühle, Angst und Aggressionen entwickelt. Das spätere Symptom hat also die Funktion genau diese Gefühle abzuwehren. Im Symptom selbst zeigt sich oftmals der verdrängte Gedanke: so hat Paul mittels seiner Zwangsvorstellungen einen psychischen Kompromiss gefunden, den unbewussten aggressiven Befreiungswunsch von seiner Mutter (der seinen Ursprung in der Kindheit fand) in eine akzeptablere Form umzuwandeln, nämlich der Vorstellung Fremde in der U-Bahn könnten tot umfallen. Innerhalb einer Therapie gilt es also, die Betroffenen an ein selbstbestimmtes Leben heranzuführen. Ein Leben, das es ermöglicht, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ohne Angst vor sozialer Missachtung.

 

Montag, 27. Februar 2017 - 22:21 Uhr
"Warum wir uns manchmal so fühlen, wie andere es wollen"

Beate hat endlich beschlossen, ihren Job zu kündigen, aber seltsamerweise sind alle Ihre Freunde diesbezüglich verunsichert und raten ihr, es sich vielleicht doch noch einmal zu überlegen.

Wir alle kennen es, dass jemand heftige Gefühle in uns auslöst, die in diesem Moment so irgendwie gar nicht zu uns gehören. Und dennoch- aus heiterem Himmel sind wir wütend, hilflos, traurig oder auch stark. Woher kommt das? Das Zauberwort heißt: Projektive Identifizierung. Sie ist ein Abwehrmechanismus der Psyche.

Gefühle oder Gedanken-also Anteile von uns selbst- werden abgespalten und in jemand anderem „geparkt“. Dieser andere nimmt unsere Anteile dann wahr und verhält sich danach, das heißt, wenn wir uns mit beispielsweise mit der Wut des anderen projektiv identifizieren, dann fühlen wir uns plötzlich wütend, ohne zu wissen warum. Es handelt sich also um eine unbewusste Art der „Manipulation“.

Projektive Identifizierung ist ein wichtiger Mechanismus in der Entwicklung eines Kindes – sie ist eine Art der Kommunikation und Grundlage dessen, was wir Empathie nennen. Man weiß sozusagen, wie es sich in der Haut des anderen anfühlt. Natürlich hat sie auch ihre pathologische Seite. In der Therapie wird die Projektive Identifizierung genützt, um als Therapeut die Gefühle, die der Patient selber nicht erkennt, mitzuteilen und auch ein Stück weit für ihn zu „verdauen“. Dadurch lernt der Patient sich besser kennen und auch die eigenen negativen Anteile be- und auszuhalten.

Im Fall von Beate sind es nämlich ihre eigenen Zweifel über die Kündigung und diese lagerte sie in ihrem Freundeskreis aus. So kam es, dass nicht sie, sondern ihre Freunde ihren Entschluss in Frage stellten. Na, vielleicht kennen Sie das ja auch!

 

Montag, 20. Februar 2017 - 18:33 Uhr
"Vom Wiederholungszwang"

Und täglich grüßt das Murmeltier....

 

Schon wieder hat Frau M. einen Freund, der sie schlägt. Und Herr Z. lässt sich von seiner Frau vor allen Leuten runtermachen, seine Ex hat das auch getan.

Herr K. hat endlich einen neuen Arbeitsplatz, der ihn glücklich macht. Leider nur zwei Monate, dann wird der Konflikt mit dem Chef wie bei jedem bisherigen Job unerträglich. Und Frau B. fragt sich, wieso sie sich immer in Männer verliebt, die verheiratet sind.

Was ist es, das uns immer wieder in ähnliche Beziehungen stürzen lässt oder anders gesagt: dieselben Beziehungsmuster immer und immer wieder wiederholen lässt?

Und warum halten wir ausgerechnet an jenen Beziehungsmustern fest, die am leidvollsten erscheinen? Es ist der Wiederholungszwang.

Erstmals wurde Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, auf den sogenannten „Wiederholungszwang“ aufmerksam. Während der Therapie schienen die Patienten ihre unbewussten Konflikte nicht nur zu erinnern, sondern gleichsam in der Beziehung zum Therapeuten zu wiederholen. Frau M. warf ihrem Therapeuten beispielsweise vor, dass er aggressiv wäre. Herr M. hatte das Gefühl, seine Therapeutin fände alles, was er sagt lächerlich. Herr K. beschwerte sich, dass seine Therapeutin so streng sei und Frau B. meinte, ihr Therapeut wolle sie verführen.

Vereinfacht gesprochen heißt das: Was wir in früher Kindheit an traumatischen Beziehungserfahrungen machen musste, vers uchen wir in den gegenwärtigen Beziehungen immer und immer wieder zu wiederholen, man spricht von „reinszenieren“. Irgendwie hoffen wir dabei ständig aufs Neue, es fände sich diesmal ein besserer Ausgang als damals. Leider ist uns dieses „Leben im Hamsterrad“ nicht bewusst - ohne therapeutische Hilfe können wir meist nicht erkennen, was wir da tun.

„Ich glaube, sie erinnern mich an meine Mutter. Sie hat mir permanent das Gefühl gegeben, dass ich ihr nicht gut genug bin. Sie hat mich immer ausgelacht...“ meinte Herr Z. in einer Therapiestunde.

Ein erster Schritt, um das Murmeltier nicht mehr täglich grüßen zu lassen ...

 

Montag, 13. Februar 2017 - 17:19 Uhr
"Die Notbremse der Psyche"

 

Kürzlich führte ich ein Interview mit Natascha Kampusch. Man muss nicht erklären, welch Martyrium diese junge Frau durchlebte. Vor und nach ihrer Gefangenschaft. Ja genau, auch danach, denn Unzählige verurteilten sie. Es schien unbegreiflich, dass sie den Täter nicht vollends zu verachten schien, dass sie, so wie sie selbst sagt, sogar Schuldgefühle hatte, als er sich das Leben nahm.

Beinahe jeder weiß auch von jenem Banküberfall 1973 in Stockholm. 131 Stunden dauerte es, bis die Geiselnahme zu Ende war. Einige der Geiseln besuchten die Täter anschließend sogar im Gefängnis. Das Stockholm- Syndrom ist seither geläufig – es beschreibt das Phänomen, dass Menschen, die Opfer von Gewalt wurden dennoch Sympathien, ja sogar Verständnis für die Täter entwickeln. Doch wie ist das möglich?

Es ist ein Abwehrmechanismus der Psyche, deren es zahlreiche gibt. Der bekannteste ist wohl die Verdrängung. Abwehrmechanismen haben den Sinn, Wünsche, Motive oder Triebe, die untereinander in Konflikt stehen, unbewusst so zu lösen, dass das Ergebnis für das Bewusstsein erträglicher ist. So ist die „Identifikation mit dem Aggressor“ jener Abwehrmechanismus, der die Opfer mit den Tätern sympathisieren lässt. In derart traumatischen Situationen identifiziert sich das Opfer mit Persönlichkeitseigenschaften, Werten oder Verhaltensweisen des Aggressors, also des Angreifers. Dies geschieht nicht willentlich, sondern unbewusst. Es ist sozusagen der letzte Ausweg der Psyche, mit überwältigenden Ängsten fertig zu werden. Wer also diese Opfer verurteilt, sie für verrückt, ja sogar für „pervers“ erklärt, der hat nicht verstanden, wie groß das Leid tatsächlich war, so groß, dass die Psyche die Notbremse ziehen musste.

 

Montag, 6. Februar 2107 - 23:59 Uhr
"Suizid"

Warum wir genau hinsehen müssen...

Familie N. ist im Schockzustand. Der Bruder von Frau N. hat sich völlig unerwartet das Leben genommen - erhängt am Dachboden. Er fiel in ein tiefes Loch nach der Scheidung. Aber das war bereits vor einem Jahr. Ja, er hat oft davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen. Doch gerade in letzter Zeit war er viel ruhiger, wirkte gelöst, sprach nicht mehr über das leidige Thema...und dann das...

Wie kommt es, dass Familie N. nichts von seinem Vorhaben mitbekam?

2014 starben in Österreich 1.313 Personen an einem Suizid - die Zahl der Suizidtoten ist rund dreimal so hoch wie die der Verkehrstoten, Suizidversuche übertreffen diesen Wert laut internationaler Studien um das 10- bis 30-fache.

Daraus kann man schließen, dass eine Suizidgefährdung nicht immer sofort zu erkennen ist. Doch es gibt Warnsignale:

  • Der Suizid wird konkret verbal angesprochen („Das Leben hat keinen Sinn mehr“...)
  • Der Betroffene begibt sich zunehmend in den Rückzug.
  • Zunehmende Einengung: Es besteht kein Interesse mehr an nichts. Zwischenmenschliche Kontakte werden heruntergefahren, die Gefühls- und Wertewelt des Betroffenen nimmt ab, Depression, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung sind die vorherrschenden Gedanken
  • Unerwartet Ruhe beim Betroffenen nach dessen Suizidäußerungen

 

Doch wie kann man rechtzeitig eingreifen?

Aufmerksamkeit ist gefragt, damit die Warnsignale nicht übersehen werden, vor allem die vermeintliche Entspannung der psychischen Situation des Betroffenen. Diese tritt oft ein, wenn bereits eine Entscheidung getroffen wurde - die Ruhe vor dem Sturm sozusagen. Sprechen Sie die Person konkret auf ein etwaiges Vorhaben an und scheuen Sie sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen! So sehr wir dieses Thema auch verleugnen wollen, genau hinsehen kann Leben retten ...

 

Montag, 30. Jänner 2017 - 22:11Uhr
"Alkoholsucht"

(K)ein Gläschen in Ehren...

 

„Ich glaube, mein Mann hat ein Alkoholproblem“ meinte Frau H. in einem ersten Telefonat. Herr H. trinkt jeden Abend vier bis fünf Gläschen guten Rotwein, soll ja gesund sein, meint er und hebt die Laune.

Auch Frau K. feiert gerne. So richtig betrunken ist sie selten, vielleicht einmal alle drei Wochen, dann aber bis zum Blackout - gehört ja zum Studentenleben und lässt den Stress verschwinden. Frau B. tut alles, damit ihre Familie nicht bemerkt, dass sie heimlich eine Flasche Wodka konsumiert.

Was haben diese Menschen gemeinsam? Sie alle haben ein Alkoholproblem. Denn Alkoholsucht hat viele Gesichter - nicht nur das, des torkelnden Schnapstrinkers mit der roten Nase. Sobald der Alkoholkonsum eine Funktion übernimmt, wie etwa die des Stressabbaus oder der Stimmungsaufhellung, ist er nicht mehr unbedenklich, sondern bereits missbräuchlich. Von Abhängigkeit spricht man dann, wenn man so wie Frau B. die Kontrolle über den Konsum verloren hat - man muss einfach trinken, sonst setzen die Entzugserscheinungen wie Zittern oder Schwitzen ein. Auch die Menge, die getrunken wird, steigert sich stetig, der Versuch zu reduzieren oder gar aufzuhören, bleibt erfolglos. 340.000 gelten hier zu Lande als alkoholabhängig und beinahe jeder 4. Erwachsene trinkt in einem Ausmaß, das als gesundheitsgefährdend gilt.

Noch erschreckender zeigt sich die Statistik im Bezug auf die Lebenserwartung Alkoholabhängiger: Frauen leben durchschnittlich um 20, Männer um 17 Jahre kürzer.

Herr H. hatte Glück, denn dank seiner Frau konnte er erkennen, dass er es ohne die täglichen „gesunden“ Gläschen Rotwein gar nicht mehr aushielt. Ein ambulanter Entzug fiel ihm nicht leicht, doch er half.

„In vino veritas“ lautet ein Spruch - im Wein liegt die Wahrheit - doch manchmal leider auch eine Selbstlüge.

 

Montag, 23. Jänner 2017 - 20:14 Uhr
"Sei nicht so hysterisch!"

Was ist Hysterie und warum sie nicht nur Frauen betrifft

 

„Hysterische Kuh!“ oder „Die Frauen sind doch alle hysterisch“! Mal Hand aufs Herz liebe männliche Leser. Wer von Ihnen hat sich das noch nie gedacht? Oder liebe weibliche Leser: wer hat das noch nie gehört? Hysterie hat längst den Einzug in unseren Schimpfwortfundus gefunden- doch was ist Hysterie genau? Noch in der Antike war man der Überzeugung, dass die Ursache dieser „frauenspezifischen“ Krankheit in der im Körper umher wandernden Gebärmutter zu finden sei. Gut, davon ist man glücklicherweise abgekommen. Sigmund Freud war es schlussendlich, der den Hysterikerinnen zum Durchbruch verhalf. Er war begeistert von den Demonstrationen des berühmten Arztes Charcot in Paris, der seinem staunenden Publikum demonstrierte, wie Patientinnen unter Hypnose ihre gelähmten Körperregionen wieder bewegen konnten. Wie konnte das sein? Freud widmete sich intensiv den „Studien über die Hysterie“- den sogenannten Konversionsneurosen. Konversion bedeutet, dass ein seelischer Inhalt, der verdrängt werden muss, im Körper symbolhaft seinen Ausdruck findet.

Mittlerweile ist die Hysterie längst aus dem psychiatrischen Wortschatz verschwunden. Die Symptome, die sich in übertriebener Emotionalität, Ich-Bezogenheit und dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zeigen, werden heutzutage den histrionischen Störungen zugeschrieben. Auch der dissoziativen Störung, deren Ursache zumeist in einem verdrängten Trauma liegt, ist die damalige Hysterie zuzuordnen. Die Dissoziation, also die Abspaltung des Traumes aus der bewussten Wahrnehmung hilft, das Leben weiterhin meistern zu können. Fest steht in jedem Falle, dass „Hysterie“ nicht alleine Frauensache ist - im Gegenteil. Auch Männer neigen zu hysterischem Verhalten - man denke nur an Molieres berühmte Komödie „Der eingebildete Kranke“...

 

Montag, 16/. Jänner 2017 - 22:09 Uhr
"Angst im Gepäck"

Flugangst, Panik & Co - die Ursachen der Angststörung

 

Herr K konnte stets unbeschwert ins Flugzeug steigen. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen erfasste ihn die Panik. Atemnot, Herzrasen, das Gefühl, verrückt zu werden und keinen Ausweg mehr zu finden. Frau S erlebte Ähnliches auf der Autobahn. Und Frau F braucht gar nicht erst weit zu reisen, sie bekommt schon Angstanfälle, wenn sie das vertraute Umfeld ihrer Wohnanlage verlässt.

„Wie viel Angst ist normal?“, fragte unlängst ein Patient.

Die klassische Psychoanalyse unterscheidet zwischen Angstneurosen und Phobien. Bei der Phobie gelingt es meist, die innere Angst auf irgendetwas scheinbar Bedrohliches im Außen "zu richten“. Dieses äußere Objekt - wie zum Beispiel eine Spinne - wird dann ganz einfach vermieden. Bei der Angstneurose gelingt dies nicht mehr - die Angst ist "frei" und ständig erlebbar, sie „generalisiert“ sich - Angst kann überall und in jeder Situation auftreten (z.B. Flugangst).

Aber woher kommt sie? Die moderne Psychoanalyse legt ihr Augenmerk auf die früheren Sicherheit spendenden Beziehungserfahrungen. Dadurch entwickelt sich im Kind eine "innere Sicherheit", ein Selbstvertrauen - es kann dann in Gefahrensituationen auf diese verinnerlichten guten Erfahrungen zurückgreifen. Patienten mit Angststörungen haben diese nicht. Ihre Eltern fanden keine optimale Balance zwischen Autonomie und Beziehung, sie waren entweder allzu behütend, selbst unsicher oder vernachlässigend und agierten in für das Kind unsicheren Situationen beschämend. In jedem Falle handelt es sich bei der Angststörung um Erfahrungen aus der Kindheit, die verdrängt, aber in späteren Situationen bei Gelegenheit plötzlich wieder aktualisiert werden.

 

Montag, 9. Jänner 2017 - 12:14 Uhr
"Abschied nehmen"

Die Phasen der Trauer

Der Tod eines geliebten Menschen ist immer unbegreiflich - man ist im Schock. Oft scheint die Psyche seltsam zu reagieren. Als der Ehemann von Frau Z. plötzlich aus dem Leben schied, traf sie die Nachricht nicht wie ein Schlag - im Gegenteil. Sie nahm die Information der Ärzte war, nickte und traf sich mit ihrer Freundin auf einen Kaffee, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Herr F. überzog noch wochenlang die Bettseite seiner verstorbenen Gattin: „Sonst schimpft sie wieder!“ In dieser ersten Phase der Trauer will es unsere Psyche nicht wahrhaben. Manchmal sind es nur Minuten, manchmal auch Monate, in denen wir die schreckliche Realität verleugnen. Die Empfindungen werden abgetrennt, wir spüren kaum Emotionen, glauben an einen Irrtum oder ignorieren die Nachricht. In der zweiten Phase bricht all das über einen herein, was zunächst nicht zugelassen wurde. Doch es ist nicht immer nur Schmerz, sondern es sind auch Gefühle wie Wut oder Erleichterung. Darf man denn so fühlen? Ja, man darf.

 

Wut ist eine natürliche Reaktion: „Wie konnte er mir das antun, dafür werde ich ihn ewig hassen!“, fluchte Frau B. „Ich trau es mich gar nicht zu sagen, aber zum Glück ist es vorbei.“ meinte Frau M. Diese Emotionen sind Teil des Trauerprozesses - sie sollen und dürfen angesprochen und erlebt werden. In der dritten Phase beginnen wir langsam loszulassen, noch befindet man sich in einer Art Traumwelt. Die Kleider des Verstorbenen sind noch an ihrem Platz, die letzte Kaffeetasse ungewaschen. Viele bleiben in dieser Phase gefangen, hier gilt es den Betroffenen behutsam an die Realität heranzuführen. Erst nach den ersten drei Phasen tritt so etwas wie Akzeptanz ein - die vierte Phase. Erst jetzt wird ein Neuanfang möglich.